Freitag, 19. April 2013

Vom Wert der Dinge


Es war einmal ein Mann, der war Tischler. Er lebte mit seiner Frau in einer kleinen, aber schönen Dreizimmerwohnung, irgendwo in Deutschland, vielleicht ganz in Ihrer Nähe.
Wenn einer einen Tisch oder einen Schrank brauchte ging er zu dem Tischler und der baute dann das Möbelstück, ganz so, wie es der oder die Kundin wünschte.
Der Tischler hatte Spaß an seiner Arbeit und er war auch recht zufrieden mit seinem Einkommen. Große Sprünge waren zwar nicht drin, aber er kam ganz gut zurecht. Da er viele Freunde und bekannte hatte und auch recht beliebt war, weil er sich gern unterhielt und auch an vielem interessiert war half man sich gegenseitig ein bisschen aus und so brauchte der Tischler nicht allzu viel. Eines Tages kam ein Mann, der wollte eine Truhe haben, man einigte sich schnell und als das Werk vollendet war kam der Mann um sein neues Möbelstück abzuholen. Der Mann war beeindruckt von der guten Handwerkskunst und meinte, dass er wohl noch ein paar Truhen mehr gebrauchen könnte um diese zu verkaufen. Der Tischler freute sich und so baute er noch zwei weitere Truhen. Als der Mann seine Wahre abholte erzählte er, wie gut und teuer er die erste Truhe verkauft hatte und fragte den Tischler wie viele Truhen dieser denn so in einer Woche bauen könnte. Unser Tischler war überlegte und antwortete dann, dass er wohl so 5 Stück hin bekommen würde. Der Mann meinte, dass er bestimmt 10 verkaufen könnte und er schenkte dem Tischler eine Maschine mit der er die Teile viel schneller zusägen konnte damit dieser 10 Truhen bauen könnte. So wurde unser Tischler ein Truhenbauer, er baute jeden Tag zwei Truhen und verdiente gut damit.

Als nun aber ein anderer Kunde kam, der wollte ein Regal für seine Tochter, da hatte der Tischler gar keine Zeit mehr und musste das Regal am Abend bauen. Er hatte nun nicht mehr so viel Zeit für seine Freunde und Bekannten und weil er so viel zu tun hatte schlief er wenig.
Da beschloss er einen Angestellten zu haben, nun wurde es zwar mit dem Geld wieder weniger, aber er hatte wieder etwas mehr Zeit. Das bemerkte auch der Mann, der einmal in der Woche kam um die Truhen ab zu holen und meinte: „Wenn Du nun einen Angestellten hast, dann kannst Du vielleicht auch 20 Truhen bauen und von dem Geld was Du mehr verdienst kannst Du Dir eine weitere Maschine kaufen.“ Der Mann bot dem Tischler an, das er ihm das Geld für die Maschine leihen würde, bis dieser genug Geld zusammen gespart hatte. Und weil der Mann sehr klug redete klang es verlockend in den Ohren des Tischlers und er ging auf den Handel ein. So Ging es noch eine Weile, bis der Tischler eine Halle gemietet hatte und noch weitere Arbeiter eingestellt hatte. Nun hatte er eine Truhenfabrik und viele Angestellte. Inzwischen baute er keine anderen Möbel mehr, weil er mit den Truhen viel mehr Geld verdiente. Weil er jetzt ein reicher Mann war nahm er einen Kredit auf und baute ein Haus. Seine Frau arbeitete im Büro bis die Kinder kamen, dann fanden sie eine Sekretärin die für sie Arbeitete. Manchmal dachte der Tischler an die Zeit zurück als er noch Möbel baute, aber dann wischte er die Sentimentalität mit einem Atemzug aus seinem Sinn.
Inzwischen hatte er sich verändert, sein Interesse war jetzt eher auf die Produktion ausgerichtet und darauf, wie er besser und mehr Geld verdienen könnte um sich noch mehr schöne Dinge leisten zu können. Auch seine Möbel baute er inzwischen nicht mehr selbst, dafür beauftragte er einen Kollegen aus dem Nachbarort der dort noch eine kleine Werkstatt hatte. Der Mann kam nun auch nicht mehr selbst, er ließ die Truhen mit Lastwagen abholen, nur ab und an kam er und gab dem Tischler ein paar kluge Ratschläge.
Der Tischler arbeitete gern und viel, aber irgendwie war seine Arbeit eintönig geworden und ab und an merkte er auch, das ihm die Gespräche die er früher oft geführt hatte fehlten. Nach einer Weile bekam er Rückenschmerzen. Er ging zum Arzt und bekam Tabletten, die halfen gut und der Tischler machte sich keine Gedanken mehr. Viele Jahre später, der Tischler hatte seine Sehnsucht nach den alten Gesprächen und die Freude die er immer beim entwerfen eines neuen Möbelstücks hatte schon längst vergessen, wurde er sehr krank.
Er schlief nicht mehr gut, hatte immer häufiger Schmerzen und fühle sich oft gar nicht gut.
Aber weil er so viele Angestellte hatte für die er Verantwortung übernommen hatte und weil das Haus auch noch bezahlt werden musste ignorierte er sein Gefühl und nahm einfach ein paar Tabletten mehr. Er ging immer seltener zur Arbeit, stellte einen Geschäftsführer ein und kümmerte sich immer weniger um die Fabrik und die Angestellten. Schließlich, nach einem Gespräch mit dem Mann der einst die erste Truhe gekauft hatte, hörte er ganz auf zu Arbeiten.
Der Mann meinte er könnte es sich jetzt leisten in Rente zu gehen und seinen Lebensabend zu genießen. Inzwischen hatte der Tischler viele Krankheiten und Schmerzen und kein Arzt konnte ihm so recht helfen. Weil er jetzt nicht mehr arbeiten musste wollte er etwas schönes tun und er erinnerte sich an seine Lehrzeit. Als er gerade seine Alten Werkzeuge heraus suchte die er als Erinnerung in einer der ersten Truhen, die er gebaut hatte, aufbewahrte, kam sein Enkelin ihn besuchen. Das kleine Mädchen fragte ihn, was er tue und er erzählte ihr von damals, wie alles angefangen hatte und das er nun wieder einmal einen schönen Schrank bauen wollte. Die kleine sah ihn mit großen klaren Augen an und stellte fest „ Also machst Du jetzt wieder, was Dir Spaß bringt.“, dann überlegte sie und fragte: „Aber Opa, wenn Du damals so viel Spaß hattest, warum hast Du dann den Mann mit der Truhe nicht einfach wieder fortgeschickt?“ Und als der Tischler das hörte wurde er im Herzen bewegt. Dann nahm er das Mädchen auf den Schoß und sagte ihm:
„Weißt Du, manchmal erzählt einem jemand etwas was ganz gut klingt und man glaubt ihm und wenn man dann tut was er gesagt hat, dann macht man einfach immer weiter und weiter und am Ende hat man alles vergessen.“ – „ach“ – antwortete sie „macht ja nicht Opa, jetzt hast Du es ja bemerkt“ mit diesen Worten sprang sie auf und lief fröhlich hinaus.
Er blickte ihr nach und seine Augen füllten sich mit Tränen.

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