Samstag, 20. April 2013

Neonlicht

Er ging die fast leere Straße entlang, es war November, im nassen Kopfsteinpflaster der Altstadt spiegelte sich das Neonlicht der Etablissements. Er, mitte dreißig, schütteres dunkles Haar, klassisch in Jeans und Sakko gekleidet schlenderte gedankenverloren, scheinbar ziellos durch die Dunkelheit. Die Uhrzeit war ebenso unbedeutend wie der Ort an dem er sich befand.
Sein Blick verriet eine insichgekehrte Entschlossenheit. Die Hände tief in die Taschen seines Sakkos vergraben, setzte er einen Schritt vor den anderen, den Blick auf den Boden gerichtet starrte er in sich hinein. An einer Straßenecke stand ein Paar, eng umschlungen unter einem Regenschirm, er schien sie nicht zu bemerken. Ein Junger Mann kam auf ihn zu, fragte nach Feuer, er bat um im Gegenzug um eine Zigarette, man nickte sich zu und trennte sich wieder. Der Regen hatte etwas nachgelassen, aber seine Kleider waren klamm. In einem Hauseingang entdeckte er einen braunen Spitz- Schäferhund- Mischling. Das Tier war angeleint und für ihn offensichtlich verlassen worden, es zitterte und winselte als er sich näherte. Er beugte sich zu der armseligen Kreatur hinunter und entdeckte in dessen Augen eine verwandte Seele. Er suchte in seinen Taschen nach etwas Essbarem und förderte einen etwas lädierten Schokoriegel zu Tage, den teilte er mit seinem neuen Freund. Beide, Hund und Mann standen eine Weile im Schatten der alten Häuser und tauschten Nähe aus.
Dann, wie selbstverständlich, löste er die Leine und beide gingen gemeinsam zum Hafen hinunter. Er setzte sich auf eine Bank, der Hund, sprang neben ihn und legte vertrauensvoll seine Nase in die Armbeuge seines Gefährten.
Eine Weile saßen sie beide einfach so da, Hund und Mann. Ein Schatten huschte vorbei, das Tier hob seinen Kopf und witterte, er atmete tief ein und begann zu erzählen. Oh, mein Freund, es war alles so gut geplant – und dann, dann kam alles anders. Ich habe es mir genau überlegt und eine Weile sah es auch gut aus, sehr gut sogar. Er schwieg eine Weile bevor er weiter redete. Aber dann haben Sie den Hals nicht voll bekommen können und nun ist alles verloren, alles futsch, weißt du. Er strich dem Mischling übers Fell, der hechelte ihn, so schien es, aufmerksam und verstehend an. Dabei war es ein todsicherer Tipp, 15% Rendite, wo bekommt man so was schon, ja, klar Risiko ist immer dabei, aber im Grunde ist das ganze Leben doch ein Risiko. Zwei Wochen, man in zwei Wochen hätte ich es geschafft, alles wäre perfekt gewesen. Und dann noch Sabine, die ist mir eiskalt in den Rücken gefallen, sie hat es einfach nicht verstanden, weißt Du? Ich glaube sie wollte es auch einfach nicht verstehen. Ihr ging es doch immer nur darum gut dazustehen als Unternehmerfrau. Macht sich ja auch gut, schickes Auto, teure Klamotten, hat immer viel Geld gekostet das alles. Und der letzte Urlaub war auch nicht billig. Wie gut, dass wir keine Kinder haben, ehrlich mein Freund, mit den Frauen gibt es immer nur Ärger.
Er starrte aufs Wasser und schwieg. Was mach ich nun, mein Freund, was soll ich tun – im Grunde kann ich mich erschießen, aus der Nummer komm ich doch nie wieder raus! Ich hab auch noch die volle Haftung an der Kutte kleben – alles weg, verstehst du, alles… Er lachte zynisch auf, ha, und die lieben Freunde, die haben dann natürlich nichts anderes als mitleidige Blicke mehr für Dich, hängen gelassen haben sie mich, die feinen guten Freunde. Keiner wollte mir Geld leihen, kein einziger! Aber denen werd ich es zeigen, die werden sich alle noch umgucken, wundern werden die sich, grün und blau, ja. Das Tier legte die Pfote auf seinen Oberschenkel und blickte ihn an. Ja, du verstehst mich nicht wahr, er ergriff die pelzige Hand und drückte sie, du bist wie ich, Dich haben sie auch einfach vergessen.Wieder schwieg er, starrte.
Hinter ihm schlug eine Autotür zu, schnelle, klare Frauenschritte hallten durch die Nacht. Frank? Frank! sprachen sie ihn an – was machst du denn hier und was ist das für ein Hund? Er erschrak, dann erkannte er die Stimme – sein Tonfall wurde eisig und betont gleichgültig als er sie ansprach: Oh, Sabine, na was möchte denn die Werte Dame, die Geschäfte haben doch gar nicht geöffnet. Oh und falls du Geld brauchst frag doch mal einen von unseren, nein deinen sauberen Freunden, vielleicht haben die ja was für eine verarmte adelige übrig. Seine Worte trafen, präzise wie ein Schwertschlag, Tränen drängten Augenblicklich in ihre Augen.
Frank, um Gottes willen, was sagst du da, komm doch nach Hause, lass uns über alles reden. Ha, schnaubte er, nach Hause, wo soll das denn sein, hm? Einen Teufel werd ich tun, ich bleibe hier, mit Rupus, er tätschelte den Hund, der antwortete mit einem Schwanzwedeln. Siehst du, wir verstehen uns. Ich werd das allein schaffen, alles, ihr werdet schon sehen und dann werdet ihr euch noch wunder… Frank, unterbrach sie Ihn beschwörend, komm mit mir nach Hause, bitte, komm, ihre Stimmer zitterte, lass uns in Ruhe über alles reden. Er machte eine wegwerfende Geste, ach, was du immer willst, du hast doch keine Ahnung, hast du nicht zugehört, ich bleibe hier!
Seine Stimme wurde schrill, verschwinde endlich du, du Schlampe. Über Sabines Gesicht rannen Tränen, fassungslos blickte sie ihn an, was war nur geschehen, wie konnte er sich so verändern, sie waren doch glücklich gewesen. Hinter ihr tauchte eine weitere Person auf, es hat keinen Sinn raunte der Mann ihr über die Schulter zu. Frank bemerkte ihn und bemerkte lapidar, na, haste schon nen neuen, oh, wir kennen uns doch, der feine Doktor, ja genau, Sie waren ja schon immer interessiert, sie können sie haben, aber beschweren sie sich hinter nicht bei mir, ich kann da nix für.
Doktor Feldhoff war der Hausarzt der beiden. Ihn hatte Sabine total aufgelöst angerufen und er konnte es nicht übers Herz bringen sie in dieser schwierigen Situation allein zu lassen. Außerdem fühlte er sich verpflichtet sie zu begleiten, denn er machte sich Sorgen, dass Frank sich etwas angetan haben könnte. Eigentlich war die Polizei für so was zuständig, aber er war eben einer vom alten Schlag und auf dem Land, da war man eben für seine Leute da, auch wenn es mal über die normale Tätigkeit hinaus ging. Es war gerade mal 18.00Uhr, aber es war Sonntag und daher war die Stadt relativ leer gefegt und an dieser Ecke des Hafens waren eh nie viele Menschen zu sehen.
Für Frank, das wusste er war die Welt eine andere, Raum und Zeit spielten keine Rolle, er würde sich wohl auch schwer überreden lassen mit zu kommen. Dennoch hoffte er es und versuchte ein Gespräch.
Herr Stein, ich bitte Sie, hier ist es doch wirklich ungemütlich und Sie sind ja auch schon völlig durchnässt. Frank unterbrach ihn, funkelte ihn wütend an. Ach, sie da, der feine Doktore, was hast du mir denn zu sagen, was? Besitzt die Dreistigkeit mir die Frau auszuspannen und dann meinst du mir auch noch auf Kumpel zu kommen, verpiss dich man oder ich renovier Deine schöne Visage! Er sprang auf, Dr. Feldhoff wich mit beschwichtigenden Gesten zurück. Ok, ok, wir gehen jetzt und lasse sie hier in ruhe sitzen, ok? Das will ich meinen grunzte Frank und starrte entschlossen auf den Boden. Herr Feldhoff legte tröstend die Hand auf Sabines Schulter und schob die schluchzende Frau zurück zum Wagen. Frank blieb zurück, auf seinem Gesicht ein trotziges Siegerlächeln, was eher einer Fratze glich. Pah, nickte er seinem tierischen Freund zu, siehst du, ich habe recht. In dieser Nacht hatte er eine Geniale Idee, wie er sein Geschäft wieder aufbauen könnte, aber er kam nicht mehr dazu sie in die Tat umzusetzen. Sabine und Herr Feldhoff beobachteten aus der Ferne wie er überwältigt wurde, Sabine brach fast das Herz als sie seine Schreie hörte. In der Klinik erklärte man Sabine, dass sie ihn besser erstmal nicht besuchen sollte, die Diagnose war eindeutig: Manie.

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