Samstag, 23. Juni 2012

Über die „Schmerzgrenze“

Vor vier Tagen habe ich das Buch vom Joachim Bauer mit dem Titel „Schmerzgrenze“ zu Ende gelesen und finde es, wie bisher alle Bücher die ich von ihm gelesen habe sehr lesenswert. Er schreibt eingängig, leicht nachvollziehbar und lässt es dennoch nicht an wissenschaftlichen Belegen fehlen.
Der Untertitel „Vom Ursprung alltäglicher und globaler Gewalt“ hat mich neugierig gemacht. Nachdem ich „Die Masken der Niedertracht - Seelische Gewalt im Alltag und wie man sich dagegen wehren kann“ von Marie-France Hirigoyen und Michael Marx und davor „Die Narben der Gewalt –Traumatische Erfahrungen verstehen und überwinden“ von Judith Lewis Herman las, passte dieses Buch, zumindest vom Titel her in die Thematik.
Wer das Buch nicht gelesen hat aber dennoch einiges über dessen Inhalt erfahren möchte dem empfehle ich mal bei Youtube vorbei zu schauen:
Eigentlich wollte ich diesen Artikel schon gestern schreiben, aber dann habe ich mir dieses Filmchen angesehen und freue mich nun, dass ich darauf verweisen kann und somit verzichte ich auf eine weitergehende Inhaltsangabe des Buches.
http://www.youtube.com/watch?v=PyLeglWf13k&feature=related
Joachim Bauer leitet her, dass es keinen Aggressionstrieb gibt und der Mensch als ein wesentliches Grundbedürfnis Bindung, Zugehörigkeit und Beziehung hat. Das ist sicherlich für alle, die glauben, dass der Mensch im Grunde doch irgendwie Spaß an Gewalt und Machtausübung hat ein bisschen unbequem. Glücklicherweise leitet er seine These lückenlos und sehr gut nachvollziehbar her, so, dass es schwierig wird sie mit einem besserwissenden Lächeln abzuwinken, zumindest, wenn man sich auf einen Diskurs einlassen möchte. Dafür bin ich irgendwie dankbar. Mich zumindest hat er überzeugt und mich zum Überdenken meiner eigenen Thesen im Bezug auf Mensch-sein gebracht.
Auch diesmal wieder nur eine von vielen Meinungen, die einfach nur eine Einladung zum lesen und zum Dialog ist.
Die für mich zunächst entscheidende Gedankenkette aus dem Buch ist u.a.folgende:
Im Hirn werden bei körperlichem und psychischem Schmerz die gleichen Areale aktiviert.
„Soziale Verachtung  und Ausgrenzung aktivieren die Schmerzsysteme des menschlichen Gehirns“. Einer der wichtigsten Auslöser von Aggression ist das zufügen von Schmerz. Angst und Schmerz lösen Reaktionen in zum Teil gleichen Hirnarealen aus.
Aggression wird nicht unbedingt sofort ausagiert, sie kann auch zeitlich und örtlich verschoben stattfinden.
Folge ich dieser These, dann bedeutet das für mich: Wenn ein Mensch aggressiv ist dann hat er zuvor irgendwann, irgendwo eine Schmerzerfahrung gemacht. Gewalt ist also die Folge von körperlicher oder seelischer Schmerzempfindung. Gewalt löst ihrerseits wiederum Schmerz aus und so wird eine immer größer werdende Gewaltspirale möglich.
Das klingt zunächst nach einem Harmonie-Appell, nach der verordneten Friedlichkeit, dem Unterdrücken jeglicher Aggression; mit Nichten!
Aggressionen haben einen Sinn, sie sind sozusagen die Wachposten an der „Schmerzgrenze“, sie schützen vor Grenzüberschreitung, somit macht es wenig Sinn sie zu ignorieren oder gar zu negieren.
Wenn Aggression nicht erlaubt ist, dann wird sie zu lange verdrängt und es gibt keine sozialverträglichen Möglichkeiten sie auszuagieren. Somit ist „Harmoniesucht“ eine der Ursachen für unterschwellige, meist besonders zerstörerische, Gewalt!
Wir brauchen also gemeinschaftstaugliche Möglichkeiten um Schmerz zu signalisieren, damit konstruktiv um zu gehen und Kommunikationsmöglichkeiten für Schutz und Abgrenzung die selbst keinen erneuten Anstoß zur Gewalt sind.
An dieser Stelle werde ich heute enden – hier ergeben sich für mich zahlreiche neue Überschriften, wie z.B. „Wie kann so eine Kultur der Agressionsäußerung aussehen, oder anders gesagt, wie findet man zu innerer Gelassenheit und lernt Grenzen zu setzen?“, „Was hat es mit der Harmoniesucht auf sich?“ und zahlreiche andere – ich werde also weiter schreiben, beizeiten, hopefully…

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen